Funkkommunikation ist ein wichtiges taktisches Mittel zur Durchführung von Einsätzen und dient zur Unterstützung der Führungsorganisation. Feste Vorschriften für die Vergabe von verschiedenen Funkkanälen für Einsatzbereiche oder Einheiten (Funktrennung) wie sie in Köln oder Düsseldorf vorgegeben sind, aber auch dynamische Funktrennung bei Großeinsätzen nach Anordnung durch den Einsatzleiter erfordern mehrere Funkkanäle. Mit einem einfachen Walkie Talkie kommt man da nicht weit. Aufgrund der vom tatsächlichen Verkehrsaufkommen unabhängigen Zuteilung der Funkkanäle besteht ein permanenter Mangel an Frequenzen.
Datenfunkanwendungen sind im analogen BOS-Funk nur sehr eingeschränkt und mit Störungen des Funkverkehrs möglich (FMS-Folgetelegramm). So greifen größere Feuerwehren auf private Datenfunknetze zurück. Eine insbesondere für die Polizei wichtige Forderung ist die Verschlüsselung von Sprache und Daten. Lesen Sie mehr in unserem Walkie Talkie Test.
Die in Deutschland betriebenen D- und E-Netze, die auf der Basis des Europäischen Instituts für Fernmeldenormen ETSI (European Telecommunications Standards Institute) erstellten GSM-Standards basieren, aber auch UMTS (Universal Mobile Telecommunications System), der von ETSI derzeit erarbeitete Standard für die nächste Mobilfunkgeneration, sind keine Alternative.
Aus technischen Gründen fehlen derzeit Grundfunktionen der analogen BOS-Funksysteme:
- Das Bilden eines Funkverkehrskreises, in dem jeder Teilnehmer jeden hören kann (offener Kanal)
- Die Kommunikation von zwei oder mehreren Endgeräten untereinander ohne die Nutzung einer, in bestimmten Situationen nicht verfügbaren, ortsfesten Infrastruktur (Direct Mode)
- Schnelle Erweiterung der Kanalkapazität im Bedarfsfall, beispielsweise durch Umschalten eines Fahrzeugfunkgerätes auf die Betriebsart Relaisbetrieb
- Einbindung von Leitstellen in die Funkinfrastruktur.
Eine Lösung könnte die Einführung eines digitalen BOS-Funksystems, TETRA-25 oder TETRAPOL sein. Jedoch sind hier viele technische und taktisch-betriebliche Fragen offen, die zum Teil im Pilotprojekt Aachen geklärt werden sollen.
Zwei unterschiedliche digitale Bündelfunksysteme: TETRA-25 und TETRAPOL
Zwei digitale Bündelfunksysteme sind derzeit verfügbar, TETRA-25 und TETRAPOL. TETRA-25 wurde durch ETSI als Weiterentwicklung des GSM-Standards für Betriebsfunkzwecke definiert. Die Firma MATRA entwickelte für die französischen Polizeien Police Nationale und die Gendarmerie ein digitales Bündelfunksystem unter dem Namen MC 9600, welches im Zuge der Systemweiterentwicklung unter der Bezeichnung TETRAPOL in einer technischen Dokumentation weitgehend offengelegt wurde.
Die beiden Systeme unterscheiden sich technisch und sind auf der Luftschnittstelle nicht kompatibel, da sie ein unterschiedliches Kanalzugriffsverfahren, ein anderes Kompressionsverfahren (Vocoder) und eine unterschiedliche Modulation des Signals verwenden. Ein Intersystem Interface (ISI) zwischen TETRA-25 und TETRAPOL existiert derzeit nicht. Es gibt auch keine einheitliche Schnittstellendefinition innerhalb der TETRA-25- und TETRAPOL-Netze verschiedener Hersteller, so dass TETRA-25-Netze und TETRAPOL-Netze unterschiedlicher Hersteller derzeit ebenfalls nicht untereinander kommunizieren können. Eine Kommunikation von TETRA-25 zu GSM-Netzen und analogem BOS-Funk ist wünschenswert.
Wieviel Kanäle bei Netzanbindung und ohne Netzanbindung im Direct Mode technisch möglich sind, ist ebenso unklar wie die physikalischen und akustischen Grenzen im Dual Watch Mode, der Möglichkeit, gleichzeitig mehreren Kommunikationsgruppen anzugehören und in diesen zu kommunizieren.
Dies gilt auch für die entstehenden Kosten bei der Einführung eines digitalen Bündelfunksystems und dessen Finanzierung durch die BOS.
Die vielen offenen Fragen sollen im Rahmen von Pilotversuchen anhand eines umfangreichen Fragenkataloges mit taktisch-betrieblichen Anforderungen geklärt werden.
Taktisch-betriebliche Anforderungen
Vor der Einführung eines digitalen Bündelfunksystems müssen zunächst die taktisch-betrieblichen Anforderungen der BOS gesammelt und im Rahmen von Pilotversuchen getestet werden. Dazu gehören alle taktisch-betrieblichen Anforderungen an den derzeit vorhandenen analogen BOS-Funk, insbesondere die Möglichkeit der dynamischen Gruppenbildung, der Möglichkeit der Zuteilung von mehreren Funkkanälen zu einem Einsatz und der Verteilung auf Einsatzabschnitte, aber auch neuere Anforderungen, die eine Datenfunklösung erforderlich machen, z.B.:
- Abgesetzter Arbeitsplatz im ELW mit Anbindung an die Leitstelle
- Versenden von Einsatzaufträgen in Fahrzeuge in schriftlicher Form
- Fahrzeugkoordinaten (GPS) in die Leitstelle übermitteln
- Atemschutzüberwachung
- Notsignalanlagen
- Telemetrie
- Telemedizin
- usw.
Dabei sind für die obigen Anwendungen technisch gesehen sehr unterschiedliche Bandbreiten (gleichzeitig übertragbare Datenmenge) und Übertragungsgeschwindigkeiten erforderlich.
Paging muss nach wie vor möglich sein, wobei zu überlegen ist, ob man beim altbewährten Broadcastbetrieb (der Pager kann nur Daten empfangen) der derzeitigen Pager bleibt. Dabei ist abzuwägen zwischen der Größe der zukünftigen Pager und ihrem Energieverbrauch und der evt. taktisch sehr interessanten Möglichkeit durch sendende Pager eine aktuelle Stärkeübersicht der Einsatzkräfte insbesondere über die verfügbaren Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr zu erhalten. Bereits vor der Alarmierung wäre klar, ob und wieviele Mitglieder einer Feuerwehr noch im Stadtgebiet sind und damit in einer verträglichen Zeit nach Alarmierung im Gerätehaus sind.
Da BOS-Funk imer funktionieren muss, müssen alle Anwendungen auch im Direct Mode möglich sein. Die Vielfalt der Leistungsmerkmale muß im Feuerwehreinsatz handhabungssicher sein.
SIM-Karte
Eine technisch wichtige Komponente für die Einführung eines digitalen Bündelfunksystems ist die SIM-Karte (SIM = Subscriber Identity Mode). Diese wird später ähnlich der Karten bei GSM-Endgeräten in die Endgeräte eines digitalen Bündelfunksystems gesteckt. Derzeit wird eine Leistungsbeschreibung durch das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) erstellt.
Sämtliche Informationen der SIM-Karte sind auch im Direct Mode verfügbar. Für die Feuerwehren bedeutet dies, das auf der SIM-Karte auch die taktische Kennung des Endgerätebenutzers abgelegt werden muß, um z.B. die Identifikation eines notrufenden Atemschutztrupps zu erhalten. Wie diese taktische Information aussehen soll, ist bisher nicht definiert. Es ist lediglich ein Speicherfeld dafür auf der SIM-Karte vorgesehen.
Für die Polizei ist die SIM-Karte ein wichtiger Baustein für die Umsetzung des deutschen Kryptokonzepts, das eine End- zu Endverschlüsselung vorsieht, eine Erweiterung der sowohl in TETRA-25 als auch in TETRAPOL vorgesehenen Luftschnittstellenverschlüsselung, eine Verschlüsselung vom sendenden Gerät zur ersten Basissation. Die SIM-Karte wird derzeit nur für TETRA-25 Endgeräte entwickelt. Sie steht im Rahmen des Pilotversuches in Aachen noch nicht zur Verfügung.
Einführung des BOS-Digitalfunks
Im November 2000 traf die ständige Konferenz der Innenminister die Grundsatzentscheidung zu einem gemeinsamen bundesweit einheitlich betriebenen digitalen Sprech- und Datenfunksystem für alle BOS. Die polizeilichen BOS sollen zur Fußballweltmeisterschaft 2006 mit Digitalfunk kommunizieren.
Der weitere Zeitplan ist somit folgendermassen geplant:
| Mai 2001 | Entscheidung über das Netzbetreibermodell und eines Kostenverteilerschlüssels für Bund und Länder |
| Nov. 2001 | Einführungs- und Systementscheidung |
| Jan. 2002 | Spätester Zeitpunkt für den Beginn des Netzaufbaus, vor dem Hintergrund einer Aufbauzeit von max. 4 Jahren |
| Dez. 2005 | Abschluß des Netzaufbaues und vollständige Integration der Teilnehmer (polizeiliche BOS) |